Das Thema 'Gepäckschäden ist nicht Regelungsinhalt der 'Europ. Fluggastrechteverordnung'. Dennoch ein Exkurs zu diesem Thema: Folgender Beitrag wurde verfaßt von RA Prof. Dr. Ronald Schmid und ist auch auf dessen
Homepage nachzulesen.
'Die Haftungslage nach dem Montrealer Übereinkommen
Bei
internationalen, d. h. grenzüberschreitenden
Luftbeförderungen haftet
der Luftfrachtführer (das kann ein Luftfahrtunternehmen, aber auch z.
B. ein Reiseveranstalter sein!) nach internatinalen Regeln.
I.
Von 1929 bis 1999 galt das Warschauer Abkommen (WA). Danach hat ein
Luftfrachtführer den Schaden zu ersetzen, der dadurch entsteht, dass ein
Reisender getötet, körperlich verletzt oder sonst gesundheitlich
geschädigt wird, wenn der Unfall, durch den der Schaden entstanden ist,
sich an Bord eines Flugzeuges oder beim Ein- und Aussteigen ereignet hat
(17 WA); er haftet zudem für die durch Zerstörung, Verlust oder
Beschädigung von aufgegebenem Reisegepäck eingetretenen Schäden (Art.
18 WA).
Das Warschauer Abkommen war je nach Flugstrecke in verschiedenen
Varianten anwendbar, die die Haftung des Luftfrachtführers in jeweils
unterschiedlichen Höhen begrenzen (Art. 22 WA), und zwar
Haftung für |
WA / Urfassung von 1929 |
WA/ Haager Protokoll 1955 |
Personenschäden |
26.750 DM (13.677 EUR) |
53.500 DM (27.354 EUR) |
aufgegebenes Gepäck
bei i.d.R. max. 20 kg |
53,50 DM/kg (27,35 EUR/kg)
1.070 DM (547 EUR) |
53,50 DM/kg (27,35 EUR/kg)
1.070 DM (547 EUR) |
Handgepäck |
1.070 DM (547 EUR) |
1.070 DM (547 EUR) |
Die angegebenen Summen sind keine, die dem verletzten Fluggast “in
jedem Fall” zustehen; es handelt sich um Höchstsummen. Beansprucht
werden kann nur der Betrag, der dem tatsächlich entstandenen und
nachgewiesenen (!) Schaden entspricht.
Der Luftfrachtführer kann sich von der Haftung befreien (entlasten),
wenn er nachweist, dass kein Verschulden seinerseits vorliegt, d. h.
dass er und die von ihm eingesetzten Hilfspersonen alle erforderlichen
Maßnahmen ergriffen haben, um den Schaden nicht eintreten zu lassen (z.
B. alle Wartungsmaßnamen wurden ordentlich durchgeführt, gut geschultes
Personal eingesetzt usw.). An diesen so genannten Entlastungsbeweis
werden aber hohe Anforderungen gestellt, so dass er in der Praxis kaum
Bedeutung erlangt.
Kann dem Luftfrachtführer aber grobes Verschulden oder gar Vorsatz
nachgewiesen werden, gelten die oben aufgezeigten Haftungsgrenzen nicht.
Der Luftfrachtführer haftet dann auch über diese Beträge hinaus.
Weit überwiegend (Ausnahme: Flüge von und nach den USA !) war das
Warschauer Abkommen in der Fassung des Haager Protokolls (oben rechte
Spalte) anwendbar.
Für rein
innerstaatliche Flüge galt bislang das
jeweils anwendbare nationale (deutsche, französische, englische usw.)
Recht. Nach § 46 des deutschen Luftverkehrsgesetzes (LuftVG) war die
Haftung bei Personenschäden auf 163.613 EUR und für Gepäckschaden
(aufgegebenes Gepäck und Handgepäck) auf 1.636 EUR begrenzt.
II.
Seit 1999 ist das
Montrealer Übereinkommen in Kraft
getreten. Es hat das Warschauer Abkommen für die Passagier- und
Gepäckbeförderung, nicht völlig, aber doch weitgehend verdrängt. Eine
gewisse Bedeutung hat das Warschauer Abkommen noch für die
Luftbeförderung von Frachtgütern.
1. Das Montrealer Übereinkommen gilt immer dann,
wenn der Abflugort und der Bestimungsort in je einem Vertragsstaat
liegen (z.B. Flug Frankfurt – Singapur: Deutschland ist Vertragssataat
und Singapur auch). Es gilt aber auch bei einem Flug, der z.B. in
Frankfurt beginnt, in Bangkok (für einen Urlaub oder einen
Geschäftstermin) unterbrochen wird und dann wieder nach Frankfurt
zurückführt (sog. Rundflug), wenn das von vorneherein so vereinbart
wurde. Das ist bei 90% der Flüge der Fall, denn die meisten Fluggäste
buchen Hin- und Rückflug zusammen! Dann ist der Ort der Zwischenlandung
(hier: Bangkok) kein Bestimmungsort; als solcher ist nur das letzte Ziel
(hier: Frankfurt) anzusehen, so dass das Montrealer Übereinkommen
anwendbar ist, auch wenn der Staat, in dem die Zwischenlandung (hier:
Thailand) erfolgt, das Montrealer Übereinkommen nicht gezeichnet hat.
2. Das Montrealer Übereinkommen hat zunächst die
Haftungsgrenzen angehoben: Bei Gepäckschäden (Zerstörung, Verlust oder
Beschädigung) kann ein Fluggast bis zu 1.131 SZR (ca. 1.220 EUR)
Ansprüche durchsetzen. Das gilt auch für die verspätete Auslieferung des
Reisegepäck, wohingegen der Passagier für seine eigene Verspätung
nachgewiesene Schäden in Höhe von 4.694 SZR (ca. 5.350 EUR) geltend
machen kann . Voraussetzung ist aber in allen Fällen, dass der Reisende
einen Schaden in dieser Höhe erlitten hat und ihn nachweisen kann
3. Bei Passagierschäden wurde die begrenzte Haftung
völlig beseitigt. Grundsätzlich haftet ein LFF nunmehr bei
Passagierschäden unbegrenzt in Höhe des Schadens, der nachgewiesen
werden kann. Bis zu einem Betrag von 113.000 SZR (z. Zt. ca. 140.605
EUR) muss das Luftfahrtunternehmen den nachgewiesenen Schaden
begleichen, ohne dass die Frage des Verschuldens eine Rolle spielt. Bei
Schäden, die den Betrag von 113.000 SZR (z. Zt. ca. 140.605 EUR)
übersteigen, kann das Luftfahrtunternehmen versuchen, sich (in engen
Grenzen) zu entlasten.
III.
1. Das Montrealer Übereinkommen gilt nicht unmittelbar; es wurde aber durch die
Verordnung EG Nr. 2027/97 mittelbar auch auf innerstaatliche Flüge angewandt
Es ist also gleichgültig, ob es sich um einen Flug von Frankfurt am Main
nach Hamburg, von Frankfurt am Main nach Paris oder um einen von
Frankfurt am Main nach New York handelt.
2. Zudem wurden für
europäische Luftfahrtunternehmen
(Vorsicht! Nicht: “Luftfrachtführer”, d. h. z. B. nicht ein
Reiseveranstalter !) die Regelungen des Montreraler
Übereinkommens hinsichtlich der Personenschäden modifiziert. Danach
muss das Luftfahrtunternehmen unverzüglich, spätestens aber 15 Tage nach
der Feststellung der Identität der schadensersatzberechtigten
natürlichen Personen einen Vorschuss zahlen, damit die unmittelbaren
wirtschaftlichen Bedürfnisse des Geschädigten befriedigt werden können.
Im Todesfall muss dieser Vorschuss mindestens 15.000
Sonderziehungsrechte (SZR) betragen, was zur Zeit einem Betrag von
umgerechnet ca. 20.931 EUR entspricht.
IV.
Was als “
Schaden” angesehen werden kann, bestimmt sich nach dem Recht, das neben dem Montrealer Überkommen anwendbar ist. Findet
deutsches Recht Anwendung,
werden im Fall der Körperverletzung die Heilungskosten sowie der
Vermögensnachteil ausgeglichen, den der Verletzte dadurch erleidet, dass
infolge der Verletzung zeitweise oder dauernd seine Erwerbsfähigkeit
aufgehoben oder gemindert wurde oder sein Fortkommen erschwert ist. Das
gilt auch, wenn er später an den Folgen der Verletzung stirbt. Wird der
Passagier getötet, so hat der Luftfrachtführer demjenigen, dem der
Getötete kraft Gesetzes unterhaltspflichtig war oder werden konnte (das
ungeborene Kind), so weit Schadensersatz zu leisten, wie der Getötete
während der mutmaßlichen Dauer seines Lebens zur Gewährung von Unterhalt
verpflichtet gewesen wäre. Schmerzensgeldansprüche sind bislang nach
deutschem Recht ausgeschlossen, es sei denn, dass der Luftfrachtführer
grob fahrlässig gehandelt hat.
Das kann in anderen Rechtssystemen anders sein. So wird in Frankreich
durchaus der seelische Schaden kompensiert. In den Vereinigten Staaten
von Amerika werden in vielen Staaten auch Ansprüche wegen psychischer
Schäden kompensiert: So etwa Angstzustände nach einer Notlandung, die
Angst des Verstorbenen bis zum Absturz, der Verlust der sozialen
Gemeinschaft eines geliebten Menschen usw.
V.
Wenn der Luftfrachtführer nicht oder nicht ausreichend Schadensersatz
leistet, muss der Geschädigte oder sonst Berechtigte nach Art. 35 MÜ
(Art. 29 WA) innerhalb von zwei Jahren
Klageerheben, danach ist er mit der druchsetzung seiner Rechte ausgeschlossen. Die
Zwei-Jahres-Fristbeginnt
mit dem Tag, an dem das Luftfahrzeug am Bestimmungsort angekommen ist
oder an dem es hätte ankommen sollen oder an dem die Beförderung
abgebrochen worden ist.
VI.
Nach Art. 33 Abs.1 MÜ kan ein Fluggast nach seiner Wahl an einem von vier (ausschließlichen)
Gerichtsständen Klage erheben:
- am Wohnsitz des (vertraglichen) Luftfrachtführers,
- am Sitz der Hauptbetriebsleitung des Luftfrachtführers,
- am Sitz der Geschäftsstelle, durch die der Vertrag
geschlossen wurde, und
- am Bestimmungsort.
Unter engen Voraussetzungen (!) kann ausnahmesweise auch am Wohnsitz des Reisenden geklgt werden (Art. 33 Abs. 2 MÜ).
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